Partner aus aller Welt begegnen sich digital
„Ich kann mit meinem Gott über Mauern springen“, heißt es in Psalm 18, Vers 30. Mauern zeigen Grenzen auf, sorgen dafür, dass Menschen voneinander getrennt sind. In einer von vielen Spaltungen durchzogenen Welt ist es demgegenüber unumgänglich, sich für Einigung einzusetzen.
Einen Beitrag dazu leisten Christen aus dem Evangelischen Kirchenkreis an Lahn und Dill. Sie pflegen seit mehreren Jahrzehnten sieben Partnerschaften mit Städten und Ländern in aller Welt. Für diesen Sommer war eine intensive Begegnungswoche mit den Partnern aus Botswana, Burkina Faso, Erfurt, Indonesien, Namibia, Siena und Tambow geplant. Corona und die politischen Verhältnisse haben dazu geführt, dass es unter Leitung von Superintendent Dr. Hartmut Sitzler stattdessen sechs digitale Konferenzen mit insgesamt 60 Teilnehmenden gab, wobei die Partner aus Siena verhindert waren. Wichtig war den Organisatoren aus dem Kirchenkreis, dass die Partner aus Afrika, Indonesien und Europa ihre Erfahrungen und Anliegen einbringen konnten. Die Begegnungen wurden jeweils mit Andacht und Gebet begleitet und teilweise simultan übersetzt. Um die Organisation und technische Durchführung der Videokonferenzen hatten sich die Damen im Synodalbüro kompetent gekümmert.
Einheit, nicht Trennung sei das Normale, sagte Ursula Küppers (Lich), stellvertretende Vorsitzende des Osteuropa-Ausschusses im Blick auf die Partnerschaft, die 2022 seit 30 Jahren besteht. „Voraussetzung dafür ist, weiter neugierig aufeinander zu sein.“ Das konnte ihr Dialogpartner aus dem russischen Tambow, der die Spannung zwischen Heiligem und Weltlichen in seinem Statement zum Thema gemacht hatte, nur bestätigen: „Uns ist wichtig, weiter den Kontakt zu halten.“ Gerade auch in der gegenwärtigen politischen Situation.
Zu einem regen Austausch über herzliche Begegnungen der letzten Jahrzehnte kam es mit Senior Dr. Matthias Rein, dem leitenden Geistlichen des Kirchenkreises Erfurt.
Ähnliche Fragen beschäftigen die Partner heute nach Überwindung der deutschen Ost/West-Spaltung, auch hinsichtlich zurückgehender Kirchenmitgliedszahlen: „Wie können wir als Kirche für andere da sein, sozialdiakonisch und seelsorglich?“ Am Ende des Gespräches stand die Einladung zum Festgottesdienst zum diesjährigen Tag der Deutschen Einheit unter dem eindrücklichen Motto „zusammen wachsen“ am 3. Oktober in Erfurt.
Dass Corona weiter ein Problem in Botswana ist, wurde deutlich, als die Partner, die sich vor einem Bildschirm versammelt hatten, mit Maske auftraten. Die Infektionszahlen sind unverändert hoch. Manche Herausforderungen hier und dort ähneln sich, wie beispielsweise die hohe Inflationsrate oder die Tatsache, dass zu wenige Pfarrer für die Arbeit in den Gemeinden vorhanden sind. Beeindruckt zeigten sich die Partner aus Deutschland darüber, dass mehrere Leitungsämter im Partnerkirchenkreis mit Frauen besetzt sind, wie mit Dean (Superintendentin) Boitumelo Moitlho oder der Vorsitzenden des Partnerschaftskomitees.
Auch in Indonesien ist die Pandemie noch Thema. Sie beeinflusst weiter das Leben in Familie und Beruf, das Einkommen und die Gottesdienstfeiern. Viele Menschen haben dort und in Deutschland Angst, die Gottesdienste zu besuchen. Digitale Formate können hilfreich sein, ersetzen jedoch nicht die persönliche Begegnung. Bischof Ramos Simanjuntak wünscht sich einen „face to face“-Besuch der Geschwister aus dem Kirchenkreis an Lahn und Dill in Indonesien. Gelegenheit dazu wird im nächsten Jahr sein, wenn das 40-jährige Jubiläum der Partnerschaft ansteht. Bereits in diesem Herbst will Togar Simatupang, ehemaliger Bischof der indonesischen Partnerkirche, den Kirchenkreis an Lahn und Dill besuchen.
Wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine auch die Situation der Menschen im Süden Afrikas beeinflusst, wurde im Gespräch mit dem Kirchenkreis Windhoek deutlich: Benzin, Strom, Lebensmittel und Wasser werden dort jeden Tag teurer. Kritisch fragte die deutsche Partnerschaftsvorsitzende Dr. Christiane Esser, wie die westlichen Länder in dieser Situation Milliarden für Waffen für die Ukraine spenden könnten, während solche Summen für die Bekämpfung des Hungers nicht zur Verfügung gestellt würden. Die Partnerschaft sehen die Namibier als eine Art „Sprungbrett“ für eine noch engere Freundschaft. „Die Geschichte zwischen den Kirchen in Deutschland und in Namibia ist ein Band, das niemals zerreißen wird“, sind sie sich sicher.
“Man kann bei unseren Partnern lernen, wie wertvoll der Glaube gerade dann ist, wenn die materiellen Verhältnisse sehr bescheiden sind“, ist Superintendent Sitzler im Nachgang zu den Begegnungen überzeugt. „Wir erleben hier Frauen und Männer, die einen Reichtum eigener Art ausstrahlen, eine Würde und Freiheit aus ihrem Glauben.”
Auch von der schwierigen Ernährungslage in Burkina Faso, dem viertärmsten Land der Welt, erfuhren die Teilnehmenden an der Konferenz: 3,5 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Gegenstand des Gesprächs der Partnerschaftsbegegnung war zudem die schwierige Sicherheitslage mit Angriffen von Terrorgruppen auf Christen, Animisten und mittlerweile auch auf Muslime. Zwei Millionen Binnenflüchtlingen gibt es, wie berichtet wurde, darunter unzählige traumatisierte Kinder. „Wir bekommen von euch Unterstützung und Gebet, egal welche Schwierigkeiten in Burkina Faso auftreten. Ihr gebt uns Hoffnung“, zeigte sich Pastor und Direktor i.R. Etienne Bazié den Partnern in Deutschland gegenüber dankbar.
“Die Gespräche mit unseren Partnern machen einen bescheiden und dankbar“, resümierte Superintendent Sitzler. „Die eigenen Sorgen in unseren Gemeinden sieht man in einem anderen Licht, wenn man hört, wie unsere Freunde in ihren Ländern mit den Auswirkungen von Kriegen oder den Corona-Jahren zu kämpfen haben und mit was für einer Glaubensfreude sie das tun.” Es sei ein Schatz, zu erleben „dass da Schwestern und Brüder sind, mit denen wir bei allen Unterschieden der Lebensumstände tief verbunden sind.“
Weitere Informationen zu den weltweiten Partnerschaften gibt es auf der Webseite des Kirchenkreises: https://evangelisch-an-lahn-und-dill.de/ueber-uns/partnerschaften/
Hier ist auch ein Journal mit der Präsentation aller Partnerschaften, abgefasst in vier Sprachen, zu finden.
Text / Foto: Barnikol-Lübeck
Bild: Sechs Konferenzen mit Menschen aus aller Welt: Der Kirchenkreis an Lahn und Dill hat seine Partnerschafts-Begegnungswoche digital durchgeführt.