Das geistliche Wort

Zufall?

Ich habe mich schon oft gefragt, wie mein Leben wohl aussähe, wenn ich in einer anderen Zeit geboren worden wäre. Oder auf einem anderen Kontinent. Oder bei anderen Eltern aufgewachsen oder anders religiös erzogen worden wäre. Was würde ich jetzt beruflich machen? Würde ich überhaupt noch leben angesichts der vielen Kinder auf der Welt, die schon früh verhungern? Mit welchen Problemen müsste ich mich ­aus­einandersetzen? Wären sie vergleichbar oder doch ganz andere? Und da frage ich mich: Wer bestimmt eigentlich über die Last meines Lebens, die ich zu tragen habe? Etwa die Willkür des bloßen Zufalls?

Eine Antwort finde ich in der Geschichte von Zacharias. Zacharias ist ein alter Mann, der im Jerusalemer Tempel arbeitet. Sein Leben lang leiden seine Frau und er unter ihrer Kinderlosigkeit. Eines Tages hört er eine Stimme, die zu ihm sagt: „Dein jahrzehntelanges Gebet um ein Kind ist endlich erhört. Deine Frau wird schwanger werden und dir ein ­be­deutendes Kind gebären. Du sollst es Johannes nennen.“

Plötzlich geht Zacharias ein Licht auf. Er begreift plötzlich, warum sie so lange unter ihrer Kinderlosigkeit leiden mussten. Denn ihr Sohn soll dem Sohn Gottes den Weg bereiten. Deshalb muss er genau zu diesem späten Zeitpunkt geboren werden.

Zacharias’ Leiden finden nicht nur ein Ende, sondern sie haben in Gottes heilvollen Plan mit der Welt auch einen hohen Wert: Zacharias wird nicht nur Vater, sondern Vater des wichtigsten Propheten, der auf Jesus hinweist. Er erkennt die Ehre, die Gott ihm zuteilwerden lässt. Gott schenkt ihm am Ende mehr, als er jemals selbst für sich erbeten hätte. Deshalb kann er gar nicht anders, als die Güte seines Gottes ­überschwänglich zu besingen.

Dieser Text macht mir Hoffnung. Er zeigt, dass Gott regiert und nicht der bloße Zufall. Gott schreibt seine Heilsgeschichte mit mir, auch wenn sie persönliche Entbehrungen enthält. Aber trotz allen Leids erkenne ich, wie wunderbar Gott die Fäden spinnt. Wie er sie zu einem großen Kunstwerk zusammenfügt, indem seine Heilsabsicht mit der Welt ­sichtbar wird.

Ihre Pfarrerin Christin Jeworrek