Markus-Passion von Johann Sebastian Bach im Wetzlar Dom
(sm). Eine Markus-Passion von Johann Sebastian Bach (1685-1750)? Gibt es die denn auch – neben der bekannten Matthäus- oder Johannes-Passion? Ja, aber die Noten sind verschollen, das Textbuch war vorhanden, viele haben versucht, die Passionsmusik wiederherzustellen, A.H. Gomme legte seine Version 2003 vor, die die Wetzlarer Kantorei mit Solisten und dem Main-Barockorchester unter Leitung von Dietrich Bräutigam (Wetzlar) im Dom musizierte. Während die Choräle aus anderen Bach-Werken übernommen werden konnten (und auch wiedererkannt wurden!), wurden die Rezitative aus der Markus-Passion des von Bach geschätzten Hamburger Zeitgenossen Reinhard Keiser (1674-1739) wieder verwendet.
Diese Passion setzt mehr auf Dramatik, die vielen Arien ihrer größeren Schwester-Kompositionen fehlen bis auf einen kleinen Teil, dadurch war der Evangelist Nils Giebelhausen (Tenor) fast permanent im Einsatz, die Rolle bei ihm aber auch in besten Händen. Er sang souverän und begleitete die Rezitative mit sparsamer Gestik und Mimik. An seiner Seite mit mehr oder weniger umfangreichen Partien Matthias Weichert (Bass) mit den Jesus-Worten, ganz wie in Bachs Matthäus-Passion stets von Streichern begleitet, Sabine Goetz (Sopran), Anne Greiling (Alt) und mit den Petrus-Worten Dan Martin (Tenor). Für die Bach-Passionen ungewöhnlich, dass Judas nicht von einem Bass, sondern von einem Altus gesungen wurde (Gerald Thompson), der nach der Verrat-Szene auch den Kommentar zur Situation mit der Arie „Falsche Welt, dien schmeichelnd Küssen“ sang.
Das Main-Barockorchester mit Streichern und Bläsern dunkel gefärbt, spielte unaufdringlich, die Kantorei setze auf Verständlichkeit mit Freude an den Chorälen. Mit sicherer Hand leitete Dietrich Bräutigam durch das etwa zweistündige Werk. Nach langer Stille applaudierten die etwa 250 Zuhörer und dankten den Akteuren für die konzentrierte Leistung.
Pfarrer Dr. Siegfried Meier