Bestattungsformen werden vielfältiger – Menschen wollen unter Bäumen begraben sein

Wetzlar (lr). Wie wird der Friedhof der Zukunft aussehen? Die Nachfrage nach den jahrhundertelang üblichen Erdbestattungen lässt nach. Dafür sind neuere Formen gefragt. „Menschen wollen im Wald oder auf See bestattet werden“, stellt der Leiter des Wetzlarer Friedhofsamtes Rainer Hasse fest. Um diesen Trend aufzugreifen, gibt es zwar keine Seebestattungen auf den Friedhöfen Wetzlars, aber Gräber unter einem Baum sind durchaus üblich. Dies gab Hasse bei einer Führung unter dem Thema „Der Friedhof der Zukunft bekannt, an dem 20 Personen teilnahmen.

Hasse erläuterte, dass die Ruhefrist für einen Sarg in der Erde 25 Jahre dauere. Dies sei die Zeit, die die menschlichen Überreste benötigen, bis sie sich mit der Erde verbinden. Für Familiengräbern ist die Nutzungsdauer auf 30 Jahre ausgelegt. Bei den Urnengräbern beträgt die Ruhefrist nur 15 Jahre. Heute werde verstärkt auf Urnen geachtet, die biologisch abbaubar sind. Hasse führte aus, dass es früher üblich war, das Grab eines Angehörigen über Jahrzehnte zu pflegen. „Die Problematik besteht heute, dass Angehörige nicht mehr in der Nähe wohnen oder auch die Grabpflege nicht mehr übernehmen möchten“. Deshalb hat das Friedhofsamt auch Gräber ohne Grabpflege im Angebot oder Bestattungsformen, bei denen die Pflege durch einen Gärtner mit erworben werden kann.

Damit die Grabpflege auch bei Erlöschen der Gärtnerei über die gesamte Liegezeit gesichert ist, arbeite das Friedhofsamt mit der Treuhandstelle für Dauergrabpflege Hessen-Thüringen in Frankfurt zusammen. Sie kümmert sich um die Vergabe an einen Gärtner. Die Zusammenarbeit mit der Treuhandstelle garantiere, dass Besucher immer ein gepflegtes Grab vorfinden, das drei Mal im Jahr neu bepflanzt wird.

„Jeder Wetzlarer Bürger hat das Recht, auf einem Friedhof der Stadt beerdigt zu werden. Bei allen anderen braucht es die Genehmigung durch den Magistrat“, stellt Hasse fest. Seit vielen Jahren werden Verstorbene und im Krematorium eingeäscherte Bürger in Urnenwänden bestattet. Bei den ältesten dieser Wände besteht eine Nutzungsdauer von 40 Jahre, heute über 30 Jahre. „Wenn die Angehörigen die Nutzung nicht verlängern, wird der Verstorbene danach anonym in der Erde bestattet“, erläuterte der Leiter des Friedhofsamtes. Die Bestattung in den Urnenwänden soll aber nicht weiter forciert werden, denn die Urnen verändern sich in den 30 Jahren Liegezeit nicht. Hasse bevorzugt andere Bestattungsformen in der Erde.

Besonders beliebt ist der Memoriam-Garten, der bereits einmal erweitert wurde und demnächst nochmals eine Erweiterung erfahren soll. „In dem Garten haben alle Bestattungsformen ihren Platz“, stellte Hasse fest. Bei dieser naturnahen letzten Ruhestätte gibt es Erdbestattungen mit einem Grabstein neben Urnenbestattungen mit Stein. Aber es gibt auch einfach nur Erinnerungstafeln, etwa an einem liegenden Baumstamm befestigt. Alle Gräber sind um Bäume herum angelegt.
Hasse zeigte eine weitere Anlage, in der in einem Bogen Grab für Grab nebeneinander aufgereiht ist. Bei dieser Form wird auf einen Grabstein verzichtet. Die Bepflanzung grenzt die Gräber voneinander ab. Ein weiteres Rasenstück soll man nicht betreten. Ein Stein weist darauf hin, dass dort anonym bestattet wurde. Kein Grabstein erinnert an den einstigen Wetzlarer Bürger. „Wir wissen, wo ein Mensch begraben ist, denn jeder Urne wird ein Stein mit einer Zahl beigegeben und registriert“, erläuterte Hasse. Wem es wichtig ist und wer es sich leisten könne, kann einen Ablebensvertrag bereits zu Lebzeiten schließen.

Diakon Dr. Norbert Hark von der katholischen Pfarrei Wetzlar hatte die Teilnehmer der Führung begrüßt. Die meisten waren gekommen, um einen Vortrag „Friedhof der Zukunft“ zu hören. Doch die Referentin hatte am Vortag wegen schwerer Erkrankung eines Angehörigen abgesagt. Dr. Hark erläuterte, dass der Vortrag nachgeholt werden solle. Gemeinsam mit Pfarrer Jörg Süß von der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar habe er ökumenische Gespräche aufgenommen. Dabei habe man das Thema Friedhof als ein gemeinsames Thema identifiziert. In den kommenden Monaten sollen weitere Vorträge und Besuche dazu folgen. Geplant ist auch der Besuch im Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Das Museum widmet sich den Themen Sterben, Tod, Bestattung und Trauerbegleitung. Auch ein Vortrag zum Thema assistierter Suizid ist geplant.

 

Text und Bilder: Lothar Rühl

Bilder: Rege Teilnahme an der Führung über den Neuen Friedhof Wetzlar/Memoriamgarten/Leiter des Friedhofsamtes Rainer Hasse