„Die Welt ist das Verzeihen“

Ouagadougou/Wetzlar/ Gießen (stie) „Unglaublich, wie man die dürre Sahelzone in ein fruchtbares Land verändern kann dank gezielter Wasser- und Gartenwirtschaft für Tausende von Menschen“, staunte Ursula Müller aus Niedergirmes immer wieder … auch über die positiven Veränderungen für die Bevölkerung durch TIKATO-Kleinprojekte. Sie reiste erstmals nach Burkina Faso und begleitete dabei die TIKATO-Vorsitzende, Heidi Janina Stiewink für zwei Wochen zum Jubiläum 50 Jahre ODE (Entwicklungsbüro Evangelischer Kirchen) und in ortsnahe Projekte.

Die Außenreisen allerdings waren äußerst eingeschränkt. Schon gleich beim traditionellen Antrittsbesuch in der Deutschen Botschaft warnte der 1. Botschaftsrat Jan Meise die beiden Wetzlarer eindringlich vor „Fahrten außerhalb Ouagadougou in der politisch sehr fragilen Situation“. So gingen dann die Partnerschaftsbesuche den umgekehrten Weg: Der Direktor des CPET, kirchliche Privatschule für Handwerk in Koudougou, machte sich auf den Weg nach Ouagadougou und brachte auch gleich die Fotos von der aktuellen Baumpflanzung mit: Die Inselgemeinde Langeoog und TIKATO-Spenden hatten im Dezember den Anbau von 40 Mangobäumen auf dem Gelände ermöglicht. Investition für die Zukunft und gegen Klimawandel. Ein großer Dank geht an die Spender! Erneut konnte für eine weitere Klasse das Fundament gelegt werden: dank der jährlichen Materialien von TIKATO und Langeoog. Hier wird nun Priorität auf Solarenergie gelegt, der Elektrik-Lehrer übernimmt diese Klasse. Yameogo erzählte von kostenfreien Corona-impfungen, aber auch von der Abneigung dagegen der Menschen dort; „Sie haben schon ganz andere Viruserkrankungen ohne Impfung ertragen, meistens überlebt”. Yameogo berichtete von Terrorüberfällen auf Polizeistationen im 35 Kilometern entfernten Tenado; der letzte ereilte die Bevölkerung aktuell am 25. Dezember Auch Sophie Kabre aus Koudougou, langjährige TIKATO-Freundin seit 1981 und Gründerin des von TIKATO mit- initiierten  Kindergarten „Bethsaleel“ kam nach Ouagadougou zum intensiven Gedankenaustausch mit den Wetzlarern, denn :…Weiße sollten nicht mehr  diese Straße fahren -über 100 Kilometern entfernt…

Insgesamt wurden mehr als 10.000 Euro in Burkina gelassen, ein großer Anteil auch zugunsten des neuen Seminarhauses von ODE. 500 Euro Spenden gingen direkt an die Projektbetreuerin Hélène Bazie von ODE (Entwicklungsbüro Evangelischer Kirchen), denn nach Ladiou zu den vorbildlich dynamischen Frauen durfte man aus Sicherheitsgründen nicht reisen. “Das ist bitter” so Heidi Stiewink, die dort schon als gute Bekannte erwartet wurde.

Das Projekt in Tiguendalgue, der seit langem von TIKATO mitgegründeten und unterstützten Kindergarten, konnte besucht werden: Es kommt künftig in die Verwaltungshände der Kommune: Dort ist die professionelle Ausbildung der Erzieherinnen nach dem Tod vom Begründer Michael Yanogo künftig besser gewährleistet. Die Partnerschaft soll bitte erhalten bleiben“, so der Wunsch des Dorfkomitées und der langjährigen Erzieherinnen. 1100,- Spenden-Euro konnte von TIKATO dort gelassen werden: Für Außenspielgeräte … dort gibt s bisher nichts mehr als alte Gummireifen zum Klettern. Dass das örtliche Projekt „Seifenherstellung durch Frauen“ leider zum Erliegen kam, ist der Konkurrenz in der Hauptstadt geschuldet: Professionelle Hersteller haben viele Verbesserungen in Verpackung und Qualität erfolgreich abgewickelt. Trauer schlich sich in die Seele der TIKATO-Vorsitzenden, denn: gemeinsam mit dem verstorbenen Michael Yanogo hatten sie schon vor 15 Jahren dieses als ersten großen Erfolg  als Einnahmequelle für die Region installieren können. Nun besuchte sie auch namens vieler Wetzlarer wieder Yanogos Grab und stellte Kerzen nieder…

Das große Projekt der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar, die Entbindungsstation vor Ort, ist nach wie vor ein gelungenes Werk. Dadurch ist in der Großregion die Säuglingssterblichkeit entscheidend zurück gegangen. Leider ist hier die Solar-Warmwasseranlage für Entbindungen kaputt, und Geld für Neues ist nicht vorhanden.

Eine besondere Freude war der Besuch bei den Krippen und Vorschulen der Pädagogin und Freundin von Heidi Stiewink, Bernadette Kabre, in Wetzlar als Referentin der Schulen Kindergarten und Gemeinden bekannt. Eine Reihe aus dem privaten Freundes- und Verwandtenkreis aus Hamburg, Göttingen, Wetzlar, Aßlar, Gießen und Leun hatten gespendet und zur Auswahl stehen nun die Anschaffung eines Wasserreservoirs mit Installation oder Außenspielgeräte. Der hoffentlich im Januar wieder fallende Preis wird die Entscheidung zwischen Beidem fällen. Bauliche Veränderungen von Fenstern und Türen zur Sicherung der Kinder hatte der „Bücherturm der Kreuzkirche“ ermöglich mit 4.000 Euro im Jahr 2022. Große Freude bei den Erzieherinnen und den Eltern der Kinder: „Sagen Sie unseren herzlichen Dank, das hilft uns sehr“.

Eine besondere Überraschung hatte sich Bernadette einfallen lassen: Nachträglich zum Geburtstag von Heidi Stiewink veranstalteten die Kinder ein Fest mit traditionellen Tänzen und einer Geburtstagstorte mit Kerzen und Wunderkerzen. Entzückende Szenen mit wirbelnden Kindern!

Geschenke der Wetzlarer Sparkasse, von Apotheken sowie gestrickte Babysöckchen einer über 80 Jährigen aus Wetzlar erfreute in der Kinderkrippe “Sämling” und in anderen Projekten.

Mit der Vorstellung eines neuen Projekts machte Bernadette Kabre die Wetzlarer auf etwas ganz Besonderes aufmerksam: Ein heute 47 Jähriger erfolgreicher KFZ-Moped-Händler, Analphabet, hatte als 19 Jähriger die Idee: „Ich will Burkina helfen, so wie mein Vater.“ Er gründete eine Hilfsorganisation „Douni Ya Sougri“ – Die Welt ist das Verzeihen. Darin kümmert er sich bis heute um 103 Waisenkinder, 50 Witwen, weitere Bedürftige und neuerdings um 200 Binnenflüchtlinge im Familienverband. Die hat er in Familien seines Vertrauens untergebracht, damit sie tagsüber in Projekten arbeiten können für eigenen Erlös. Sieben Personen hat er selbst adoptiert. 7 ha Land stellte er allen zur Kultivierung zur Verfügung, Kinder und Erwachsene erlernen Landwirtschaft und Viehzucht; 345 Obstbäume konnten gepflanzt werden und Biodünger ist selbstverständlich. Ausbildung gelingt zu Schweißern, Elektrikern, Schneider. Frauen stellen flüssige Seife für Großräume her. “Ich will nicht, dass Geflüchtete in der Hauptstadt Banditen in die Hände fallen, sondern eine Zukunft haben”, ist sein erfolgreiches Leitmotiv. Monatlich schart er mit seinem ehrenamtlichen Team alle Generationen um sich und für vorhandene Probleme werden Lösungen gesucht. Wie anerkannt seine Einrichtung ist, zeigt die Unterstützung durch die französische Botschaft. Aus frei mitgegebenen Spenden und eines TIKATO-Arbeitseinsatzes in Wetzlar konnten mehr als 780 Euro übergeben werden: Start für neuen, dem Klima-Wandel angepassten Samenankauf. Amtliche Dokumente haben die Wetzlarer mitgebracht für Interessierte.

Die Blindenschule in Ouaga wird schon länger von TIKATO unterstützt, nun konnten weitere Spenden, darunter auch 300 Euro vom Frauenfrühstück Braunfels übergeben werden. Neu ist hier die begonnene Inklusion: pro Klasse ist eine nicht-blinde Schülerin im Klassenverband. “Es ist nicht einfach, die Eltern sehender Kinder für diese Idee zu begeistern”, so der Direktor, der selbst 27-jährig erblindete und diese Schule gründete. Die Schüler selbst aber haben alle Freude daran. Inzwischen hat der Pastor auch das Alte Testament in der Heimatsprache More in die Brailleschrift übersetzt. Neu ist auch neben der Schulzeit eine Lernzeit im Handwerk: Webarbeit für Stuhlbezüge, Landwirtschaft und Viehzucht: Zukunft auch für blinde Menschen.

In der ersten Woche genossen die Wetzlarer Frauen die herzliche Gastfreundschaft von Bernadette Kabre. Bei den Fahrten durch das immer moderner werdende Ouagadougou fielen als großer Gegensatz die vielen, vielen jungen Bettelnden an den Straßenampeln auf: Geflüchtete mit ihren Kindern aus dem Norden, besitzlos, wohnungslos…Ihnen eine Zukunft zu geben, ist das Ziel der Regierung, mancher Mitbürger/innen, Nicht-Regierungsorganisationen(ONG). Kaum zu schaffen für ein vom Terror geschüttelten Land, aber Ansporn für TIKATO, weiterhin gezielt für Spenden für Existenzsicherung zu werben.

Nähere Infos zu Spendenmöglichkeiten unter 06441 7707494 und info@tikato-burkina-faso.de

Fotos 1, a und b: 40 Mango-Bäume konnten dank der Inselgemeinde Langeoog und TIKATO-Spenden angepflanzt werden auf dem Schulgelände in Koudougou (FOTO CPET)
Foto2: In der Kinderkrippe “Sämlinge” in Ouagadougou-Azzimo erfreute Wetzlarer  Babysöckchen. Foto Heidi J. Stiewink
Foto 3: Mit den Fingern die Braille-Schrift in Büchern und Bibel lesen: möglich in der Blindenschule Foto Heidi J. Stiewink
Foto 4: Der Dorfchef und das -komitee empfingen mit den Erzieherinnen gemeinsam die TIKATO-Delegierten aus Wetzlar. Foto: Presse vor Ort

Text: Heidi Janina Stiewink