Mit 650 Akteuren und Besuchern ist der Wetzlarer Dom am zweiten Adventssonntag gefüllt.
Anlass ist die Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach (1685-1750), dem wohl beliebtesten Werk des Kirchenmusikers und Leipziger Thomaskantors.
Das ist aber nicht ganz richtig, denn nur die ersten drei von insgesamt sechs Kantaten kommen im Dom zur Aufführung. Die einzelnen Teile wurden erstmals vom Thomanerchor in Leipzig in den sechs Gottesdiensten zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest (6. Januar) 1735 in der Nikolaikirche sowie der Thomaskirche aufgeführt.
Im Wetzlarer Dom sorgen 75 Mitglieder des Chores und 32 Orchestermusiker für ein besonderes Klangerlebnis. Und zwar erst im zweiten Anlauf; im vergangenen Jahr musste das Konzert wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden.
Hervorzuheben ist, dass der Chor als Gemeinschaftsprojekt auf der Bühne steht: Kantor Dietrich Bräutigam hatte die evangelische Kantorei, den katholischen Domchor und die Kammerphilharmonie Bad Nauheim/Frankfurt zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt. Als Solisten sind Sabine Goetz (Sopran), Ulrike Malotta (Alt), Daniel Sans (Tenor) und Thomas Laske (Bass) zu hören.
Es ist vor allem der Bad Endbacher Daniel Sans, der die biblische Geschichte nach dem Lukasevangelium als musikalischer Erzähler vorträgt. Damit ist auch schon der Inhalt des Oratoriums erzählt. Bach hat die Weihnachtsgeschichte in Töne gekleidet.
Prachtvolle Chöre, bekannte Choräle und Ariengesänge folgen dem Bericht über die Geburt von Jesus Christus, den Hirten auf dem Feld, die als erste Menschen die frohe Nachricht erfahren und der Engelchor, der die Nacht von Bethlehem vor 2000 Jahren erhellte. Mit machtvollen Pauken und Trompetentönen singt der Chor zu Beginn: „Jauchzet, frohlocket auf, preiset die Tage“, in dem die Freude und der Jubel spürbar sind, die sich durch die eineinhalbstündige Aufführung ziehen. Die ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums stellen die Geburt Jesu in den Mittelpunkt. Maria und Josef werden durch Gebot des Kaisers Augustus gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und sich in Josefs Geburtsort Bethlehem zählen zu lassen.
In der zweiten Kantate erfahren die Hirten durch die Engel von der Geburt des Heilands. Sie machen sich auf nach Bethlehem, um das Kind zu suchen. Auf den ersten Teil des Jubels folgt die Kantate „Und es waren Hirten in derselben Gegend“. Und in Teil drei „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ wird wiederum die Freude über Gottes Handeln besungen.
In dem Werk hat Bach bekannte Weihnachtslieder anderer Komponisten eingebaut, etwa „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn’ ich dir“ von Paul Gerhardt (1607 bis 1676) und „Brich an, du schönes Morgenlicht“ von Johann Rist (1607 bis 1667). Jedes der drei Teile beansprucht etwa 30 Minuten.
Nach den letzten Klängen im Dom brandete starker Jubel auf. Mit stehenden Ovationen bedankte sich das Publikum für diese musikalische Einstimmung auf die Advent- und Weihnachtstage.
Text und Bilder: Lothar Rühl