Das geistliche Wort

Beten wie Jesus

Liebe Gemeindeglieder!
Als die Ergebnisse zur Kirchenmitgliedschaft veröffentlicht wurden, sagte eine Theologie-Professorin: „Ich habe gleich meinen Kollegen angerufen und es mit ihm besprochen. Es kann jetzt nicht mehr um die Unterschiede in unseren Ansichten gehen. Es geht jetzt darum, dass die, die unsere Welt vom christlichen Standpunkt aus interpretieren, zusammenhalten.“ Davon wusste König David in Psalm 133 schon ein Lied zu singen. „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträch-tig beieinander wohnen!“ Das Johannesevangelium überliefert uns an einer Stelle das, was Jesus gebetet hat (Johannes 17,20f): „Ich bitte aber nicht allein für sie [die aktuellen Jünger], sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“ Wer Jesus nachfolgt, soll in einer feindseligen Welt (Thomas Hobbes sprach im 17. Jahr­hundert vom „Krieg aller gegen alle“) die Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater zeigen. Jesus bittet für die Gläubigen zu allen Zeiten, „dass sie alle eins seien“.

Interessant, dass Jesus in dem Moment kurz vor Karfreitag nichts so wichtig findet wie die Einheit unter seinen Nachfolgern. Er bittet nicht um die richtige Lehrmeinung. Er bittet nicht darum, dass sie die richtigen gesellschaftlichen und politischen Ziele verfolgen. Sein Herzenswunsch war – wie der Wunsch einer Mutter –, dass die Kinder zusammenhalten. Natürlich hat jeder eigene geistliche Einsichten. Sie sind entstanden im Gebet, im Bibellesen, in den Anfechtungen des Lebens. Darum gehören sie zu mir. Aber wichtiger ist es, auf das Herzensan­liegen Jesu zu achten.

„Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen ­Frieden.“ (Römer 12,18). Die jüdische Gemeinde denkt nach der Zerstörung des zweiten Tempels 70 n.Chr. über die Ursachen nach. Der Talmud schreibt (Traktat Joma 9b): „Weswegen aber wurde der zweite Tempel zerstört […]? Weil dann grundlose Feindschaft herrschte. Dies lehrt dich, dass grundlose Feindschaft die drei Sünden, Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen, aufwiege.“ Zieht Gott sich eventuell zurück, wenn seine Kinder streiten? Freilich werde ich nicht alles mitmachen, was die Mehrheit tut und auch nicht alles für richtig halten, was andere ­glauben. Nicht jede Meinung oder Erkenntnis ist gleich gültig. Vielleicht können wir uns aber freuen, jemandem zu begegnen, der diese Welt auch aus christlicher Perspektive betrachtet.Ihr

Pfarrer Christian Silbernagel