Das geistliche Wort

Geborgenheit seit 70 Jahren

Am Erntedankfest, am 5. Oktober, feiern wir 70 Jahre „Gnaden-Kirche“. ­Bevor der Bau begonnen hat, hat Pfarrer Brückmann den geplanten Grundriss der Kirche und die Außenansicht der Gemeinde in einem Brief vorgestellt. Er schreibt: „Ihr seht, es wird eine Kirche, wie sie der heutige Mensch braucht, der aus der Hetze seines Lebens in die Stille zu Gott gehen will. Der Grundriss gleicht zwei weit ausgebreiteten Armen, die alle einladen. Der ganze Innenraum wird Geborgenheit ausdrücken und zur Sammlung helfen und zur Konzentration.“

So ist es gekommen. Menschen konnten Geborgenheit finden, ihre ­Gedanken sammeln und sich – inzwischen auch unter dem schönen ­Taizé-Kreuz – auf das konzentrieren, was wesentlich ist im Leben. Viele schöne Gottesdienste haben wir seitdem gefeiert. Und vieles hat sich seitdem verändert.

Was „der heutige Mensch braucht“, ist jedoch gar nicht so viel anders. Nur, wie er aus „der Hetze seines Lebens in die Stille zu Gott“ gehen kann und was er da soll, ist ihm kaum noch klar. Der Berliner Philosoph Han schreibt: „Nicht Gott ist tot. Tot ist der Mensch, dem sich Gott offenbarte.“ Das liege am „Verfall der Aufmerksamkeit“ und darum, dass wir uns in „Konsumvieh“ verwandelt hätten. Harte Worte, aber wenn ich mich nach dem ­Einschalten des PC zuerst durch die mir angebotenen Nachrichten aus aller Welt klicke, denke ich: Er hat Recht.

Was tut uns gut? Was erhebt unser Haupt und gibt uns eine weite ­Perspektive? Die Glaubensinhalte haben ja ihre Gültigkeit behalten: „Zeit ist Gnade“, wie die Turmuhr sagt. Oder auch das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das die Giebelwand ziert und sagt: „Gottes Türe ist immer offen für uns.“ Vielleicht ist die Herausforderung des Epheserbriefes in unserer Zeit wichtig (Eph 5,14): „Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“

Lassen Sie sich einladen zur Aufmerksamkeit auf sich selbst und die Schöpfung. Dann ­ergibt sich sicherlich die reizvolle Idee der Realität Gottes, die Ihr Leben erfrischt.

Ihr Pfarrer Christian Silbernagel